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Rekonstruktionen, Archäotechnik, experimentelle Archäologie - was sind die Unterschiede?

Fangen wir mit Archäotechnik an. Darunter versteht man die Erforschung und Verwendung alter Handwerks- und anderer Techniken und deren Anwendung, inklusive der Vorführung (zum Beispiel in Museen). Archäotechnik ist auch, wenn Gegenstände, die zum Beispiel bei einer Ausgrabung geborgen wurden, nachgefertigt werden.

Von Rekonstruktionen spricht man dann, wenn nicht alles über das Objekt oder die Handwerkstechnik bekannt ist und wir daher mehr oder weniger davon ergänzen müssen. Das kann zum Beispiel die Farbe bei einem erhaltenen Textil sein; hier läßt sich vielleicht noch ermitteln, welche Farbstoffe verwendet wurden, aber deren Dosierung und das tatsächliche Aussehen bleiben unbekannt.

Die Ergänzungen bei Rekonstruktionen lassen sich unter Umständen durch praktische Tests überprüfen, zum Beispiel durch das Tragen rekonstruierter Kleidung oder die Verwendung rekonstruierter Werkzeuge - allerdings können wir uns auch bei perfektem Funktionieren nicht sicher sein, daß die Rekonstruktion korrekt ist, also die Technik genau so ausgeführt wurde oder das Objekt genau so aussah.

Bei Rekonstruktionen gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Am aufwendigsten ist die Herstellung ausschließlich aus Materialien und mit Werkzeugen und Techniken, wie sie (vermutlich) für das Original verwendet wurden. Der Aufwand hierfür ist allerdings immens, daher werden bei den meisten Rekonstruktionen Kompromisse gemacht. So können moderne Werkzeuge und Methoden eingesetzt werden, wenn sie keine wahrnehmbaren Einflüsse auf das Endergebnis haben, zum Beispiel moderne Sägen oder Bohrer. In manchen Fällen werden auch größere Abweichungen vom Original in Kauf genommen, zum Beispiel, wenn nur ein Gesamteindruck oder Gesamtbild vermittelt werden sollen - oder auch, wenn das Budget für eine Rekonstruktion näher am Original nicht ausreicht.

Experimentelle Archäologie schließlich ist ein Sonderfall. Ein archäologisches Experiment ist stets um eine Kernfrage aufgebaut, die mit dem Experiment beantwortet werden soll. Die Methoden und Materialien, die dann eingesetzt werden, müssen nicht unbedingt historisch korrekt sein; wichtiger ist, daß sie die Beantwortung der Frage ermöglichen. In den letzten Jahren ist experimentelle Archäologie sehr bekannt geworden; nicht alles, was mit "experimentelle Archäologie" beworben oder bezeichnet wird, ist allerdings wirklich ein archäologisches Experiment. 

In diesem Bereich der Webseite finden sich sowohl Informationen zu Rekonstruktionen, die ich bereits gemacht habe oder an denen ich beteiligt war, als auch mehr Informationen zum Thema Experimentelle Archäologie.

 

Materialien

Aus den diversen Quellen zu mittelalterlicher Kleidung läßt sich entnehmen, daß sowohl tierische Fasern (Wolle, Seide, Tierhaar) als auch pflanzliche Fasern (Leinen/Flachs, Nessel, Hanf, unter bestimmten Umständen auch Baumwolle) verwendet wurden.

Einige Fasern, vor allem Wolle und Seide, sind heute noch ohne größere Probleme erhältlich, können sich im Detail aber von den historisch verwendeten Varianten unterscheiden. Andere Fasern, wie beispielsweise Ziegenhaare oder Nessel- sowie Hanffasern sind oft nur eingeschränkt oder gar nicht verfügbar.

Die Verfügbarkeit der Faser bedeutet allerdings noch nicht die Verfügbarkeit von für eine Rekonstruktion geeigneten Stoffen. Historische Stoffe wurden aus wesentlich stärker gedrehten Garnen hergestellt, als dies heute der Fall ist. Die Folge ist ein wesentlicher Unterschied in vielen Punkten: Moderne Stoffe haben eine optisch ruhigere Oberfläche, einen viel weicheren Griff und eine weniger gute Haltbarkeit. Weiterhin entwickeln historische Stoffe bei Abnutzung eine glänzende Oberfläche, während moderne Stoffe typischerweise matt bleiben.

Daher gilt: Soll der Wollstoff auch das korrekte Griffgefühl oder Tragegefühl vermitteln, müssen höher gedrehte Garne verwendet werden. Die Verarbeitung dieser Garne muß aus technischen Gründen dann durch einen Handweber erfolgen.

Das Schlagwort "experimentelle Archäologie" findet sich in den letzten Jahren immer häufiger - auch außerhalb von wissenschaftlichen Publikationen, dabei vor allem in Anleitungsbüchern und im Zusammenhang mit Living History oder Geschichtsdarstellungen.

Nicht überall, wo "experimentelle Archäologie" draufsteht, ist sie aber auch drin. Meistens wird der Begriff auf Vorführungen angewendet - oder auf das, was im englischen Sprachraum als "experiential archaeology", also erlebte Archäologie bezeichnet wird. Der nächstgelegene deutsche Begriff dazu ist Archäotechnik, das ist das Anfertigen von Repliken und Durchführen historischer Handwerkstechniken. Die Übergänge zwischen dem Austesten verschiedener Fertigungsmöglichkeiten, Materialien und Werkzeuge, der Vorführung alter Techniken und der Herstellung von Gegenständen, um diese hinterher zur Verfügung zu haben, sind dabei fließend.

Archäologische Experimente sind eine ganz eigene Sache und je nach Thema und Fragestellung sehr unterschiedlich. Es gibt also keine Standardlösung oder Standardvorgehensweise für ihre Planung und Durchführung - aber es gibt sehr wohl einige kleine Tricks und Hilfestellungen, die in meiner eigenen Erfahrung sehr nützlich sein können. 

Bei der Planung bzw. beim Entwurf des Experimentes wird eine Vorgehensweise geplant, um die Kernfrage zu beantworten - denn um nichts anderes als um die Beantwortung einer einzelnen Frage geht es bei einem typischen archäologischen Experiment. Alle Werkzeuge, Materialien und Vorgehensweisen sind daraufhin ausgewählt, eine Antwort auf die Frage zu bringen. Dabei muß für jeden einzelnen Teil entschieden werden, ob es sinnvoller oder besser ist, die moderne Version zu nehmen (die sich möglicherweise besser kontrollieren läßt und mehr Standardisierung ermöglicht) oder die historische Version.

Sobald die Planung für das Experiment abgeschlossen ist, hat es sich bewährt, den Ablauf Schritt für Schritt durchzugehen und ausführliche Notizen zur Durchführung zu machen - was passiert wann und in welcher Reihenfolge, wie lang wird es vermutlich dauern (ungefähr zumindest), welche Werkzeuge und Materialien werden in welchem Schritt benötigt? 

Ein abschließender Testlauf wäre dann optimal, das ist aber leider nur selten möglich.

Hier findet sich ein Auszug aus den Museumsarbeiten, die ich im Lauf der Jahre durchführen durfte - allein und in Zusammenarbeit mit Kollegen. Außer Rekonstruktionsarbeiten biete ich auch Beratung sowie Kurse oder Vorführungen zur Weiterbildung von Museumsmitarbeitern an.

Hier also einige Projekte:

Spinnarbeiten für die Rekonstruktion einer brettchengewebten Borte aus dem Salzbergwerk Hallstatt, Teil des FWF Projektes "Dyeing techniques of the prehistoric Hallstatt-Textiles: analysis,

experiments and inspiration for contemporary application".

 

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